Interview zum Buch Tony and Me - 2006
Gerne präsentieren wir hier exklusiv in deutscher Sprache ein sehr interessantes Interview aus dem Jahr 2006.
Tony and me: An Interview with Jack Klugman
Jack Klugman ist bestens bekannt für seine TV-Serie “Männerwirtschaft”, in der er mit Tony Randall gespielt hat. Aber seine Karriere umspannt über ein halbes
Jahrhundert, in denen er sowohl auf der Bühne zu sehen war als auch Filme gedreht hat. Zeit, Alter und Kehlkopfkrebs konnten Jack Klugman’s Liebe und Begeisterung für das Theater nicht schmälern. Das
wurde in einem kürzlichen Telefoninterview klar. Seine Stimme bewährt sich täglich; er ist immer noch auf der Bühne und hält immer Ausschau nach guten Rollen.
Wie haben Ihre Freunde auf “Tony and me” reagiert?
Alle reagierten sehr positiv, besonders die Kollegen. Ich ging auf eine Tournee durch 19 Städte; es war wunderbar, wenn die Leute sagten, dass sie mit mir aufwuchsen, dass sie mit ihren Eltern auf
der Couch saßen und über die Show gelacht haben. Wenn man eine Show macht, geht man erst mal nach den Quoten – aber dann gibt man der Sache Persönlichkeit und ein Gesicht. Es war eine wundervolle
Erfahrung.
Gab es ein Kernthema, das Sie Ihren Lesern nahebringen wollten?
Ich wollte, dass sie Freundschaft zu schätzen wissen und wissen, wie wichtig sie ist. Ich hatte das große Glück, einen Freund wie Tony Randall zu haben, der mich in meinen Beruf zurückgebracht hat.
Er brachte mir bei, andere Menschen in mein Leben zu lassen. Er zeigte mir, dass Verletzlichkeit nichts schlimmes ist. Er behandelte meine Verletzlichkeit mit Samthandschuhen. Er gab mir nie ein
Versprechen, das er nicht einhielt. Wenn Sie einen Freund haben, nehmen Sie es nicht als Selbstverständlichkeit, wertschätzen Sie es, sprechen Sie darüber und erzählen Sie, wie viel es Ihnen
bedeutet.
Hatten Sie und Tony Angewohnheiten, die Sie gegenseitig störten?
Ich rauchte zu Beginn, und das mochte er nicht. Aber wir kamen sehr gut miteinander aus. Er war jemand, der gerne alles in die Hand nahm, aber am allerersten Tag der Proben klärten wir das, und er
enttäuschte mich nie. Für uns machte er Zugeständnisse. Wir wussten, wann wir weit genug gegangen waren. Wir waren uns nicht immer einig darüber, was lustig ist. Aber ich wusste, wenn er in einem
bestimmten Tonfall sagte „Das ist lustig“, wusste ich, dass ich es nicht weitertreiben konnte. Wir hatten ein gutes Gespür für die Grenzen des anderen, und wir kamen gut miteinander aus. Außer in den
ersten Tagen hatten wir in den ganzen 50 Jahren keinen Streit.
Ich erinnere mich an die Geschichte über das Rauchen in den Limousinen.
Garry Marshall war der Meinung, dass ich nicht sah, wie einfach die Lösung war. Wir sollten zwei Limousinen bekommen. Zu diesem Zeitpunkt wollte Tony nicht mit mir arbeiten, und ich nicht mit ihm.
Wir merkten, dass es nichts mit unserer Arbeit zu tun hatte, sondern mit unseren schlechten Angewohnheiten. Ich hätte ihm zuhören sollen.
Wie würden sie den kreativen Prozess des Schreibens beschreiben, verglichen mit der Vorbereitung auf eine Aufführung?
Mit dem Buch habe ich die Wahrheit erzählt. Ich sammelte alle Fakten, all die wahren Begebenheiten, an die ich mich erinnern konnte.
Wenn ich mich auf eine Rolle vorbereite, lasse ich meine Vorstellungskraft wandern und lasse alles zu, was die Rolle ausmacht, egal ob es in den Zusammenhang passt oder nicht. Ich lasse es geschehen.
Aber beim Schreiben ging es nur um Fakten und die Wahrheit.
Burton Rocks ist am ehesten bekannt geworden durch seine Sportbiografien. Warum haben Sie ihn ausgesucht?
Eigentlich hat er mich ausgesucht. Er wollte meine Biografie schreiben, aber das wollte ich nicht. Aber als Tony starb, kam er zu mir; wir sprachen darüber, und er fragte, warum ich nicht ein Buch zu
Ehren von Tony schreiben wollte. So kamen wir zusammen.
Nachdem Sie das jetzt geschafft haben – wann erzählen Sie Ihre Geschichte?
Nie! Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder ein Buch schreiben werde. Ich bin 83 ½ Jahre alt, und ich werde beim Schauspielern bleiben, das ich liebe. Schreiben ist zu schwierig; ich habe keine
Lust. Es macht mir nichts auf, wenn Dinge aufgedeckt werden, denn ich habe nichts mehr zu verbergen. Meine Schränke sind alle offen. Ich habe nichts zu verbergen, aber ich habe keine wirkliche Lust,
ein Buch zu schreiben. Ich habe eine Reihe von TV-Shows geschrieben, die im Live-Fernsehen zu sehen waren, aber das war in den 50er Jahren, und so etwas mache ich jetzt nicht mehr.
Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen der Arbeit im Theater und der in Film und Fernsehen?
Es ist alles Schauspielerei, aber ich mag Fernsehen nicht, es sei denn ich habe das Sagen. Ich hasse Filmen. Ich mag es nicht, Filme zu drehen. Ich genieße das Theaterspielen, weil man da die Chance
für Wiederholungen hat – da beginnt erst die eigentliche Darstellung. Als Künstler haben Sie nur ein Werkzeug, und das ist die Auswahl; zur Auswahl brauchen Sie Zeit. Wenn die Zeit aber Ihr Feind
ist, wie es in Film und Fernsehen der Fall ist, geht die Kunst zum Fenster heraus. Deshalb ziehe ich das Theater vor, nur das Theater.
Aber für Sie war „Die 12 Geschworenen“ anders.
Wir probten zwei Wochen lang, als ob es ein Schauspiel wäre. Ich hatte mit elf der besten Schauspieler zu tun, mit denen ich jemals gespielt habe (Fonda, Cobb, Johnny Fiedler, Marty Balsam). Alle
sind wundervolle Schauspieler. Wir probten zwei Wochen lang, und jeder war jeden Tag jede Minute dabei. Anders war es bei zwei Filmen, in denen ich mit Lee Remick gespielt habe („Die Tage des Weines
und der Rosen ” und “Der Detektiv”). Ich habe die Dame nie getroffen.Das ist es, was ich an Filmen nicht mag. Aber „Die 12 Geschworenen“ war anders, jeder war jede Minute jeden Tages da, um den
anderen Schauspielern zu helfen. Es war eine wunderbare Erfahrung und die einzige gute Erfahrung, die ich jemals beim Film gemacht habe.
Welche Rolle hat Ihnen außer „Männerwirtschaft“ und „Die 12 Geschworenen“ am meisten Spaß gemacht?
Da gibt es zwei. Das eine ist „The price“. Ich habe mich überwunden und dabei die Freiheit gefunden. Das andere ist „I’m not Rappaport“. Ich dachte zuerst, dass ich „I’m not Rappaport“ nicht spielen
könnte, aber als ich mit den Proben anfing, war es eine wunderbare Erfahrung. Ich stellte fest, dass ich tatsächlich älter spielen kann. Ich mag es, wenn ich etwas finde, dem ich mich öffnen kann und
das mich freier macht, und das waren die beiden Stücke, die das geschafft haben.
Sind Komödien schwerer zu spielen als Dramen?
Für mich nicht. Man spielt es, als wenn es Wirklichkeit wäre – das ist alles. Bei Komödien muss man eben auf Komödie umschalten, und dann läuft es. Aber man muss alles so spielen, als wenn es
wirklich passiert. Wir waren immer das komische Paar, jede Szene die wir spielten, alles was wir spielten, war Wirklichkeit. Ich spielte niemals, um Lacher zu bekommen.
Wer hat Sie als Schauspieler am meisten beeinflusst?
Meine Idole waren Lee Cobb und Henry Fonda. Sie waren wahrscheinlich sogar zwei der wichtigsten Schauspielerpersönlichkeiten in meinem Leben. Ich hatte das Glück, mit allen meinen Idolen zu arbeiten
(Humphrey Bogart, John Garfield und vielen anderen), aber am meisten habe ich von Henry Fonda und von Lee Cobb gelernt. Von Henry Fonda habe ich gelernt, niemals zu lügen. Die Wahrheit ist die
einzige Sache, die einen frei machen kann. Ein Schauspieler kann nie lügen. Er brachte mir bei, dass die Probleme eines anderen Menschen auf der Bühne am wichtigsten sind, nicht die eigenen.
Versuche, dieser Person zu helfen, egal was mit dir ist. Das war der beste Rat, der mir jemals gegeben wurde. Das ist wirklich wahr. Ich sehe Leute, die sich auf der Bühne mit ihren eigenen Problemen
auseinandersetzen; sie wachsen nicht über sich hinaus. Ich mag es, zu helfen. Selbst wenn ich es nicht schaffe, wird das Publikum bemerken, dass ich es versuche, jemand anderem zu helfen.
Was kommt für Sie als nächstes?
Ich habe meine Ein-Mann-Show. Ich habe fünf Aufführungen in Florida, und ich halte Ausschau nach Stücken. Ich mag es, Stücke zu spielen. Von mir kommt auch ein Film, der „When do we eat“ heißt – aber
das ist mir eigentlich egal. Ich möchte einfach nur ein neues Stück finden, in dem eine ältere Rolle ist, irgendetwas richtig Interessantes. Ich werde mich nie zurückziehen. Ich möchte auf der Bühne
sterben, während ich sage „Der Name des Mörders ist…“ und dann einfach tot umfallen.
Tony hat ein Repertoiretheater am Broadway gegründet. Finden Sie, dass ein Repertoiretheater am Broadway wirklich machbar ist?
Er kämpfte trotz aller Probleme für das Theater. Er brachte einige wunderbare Produktionen („The crucible“, „Saint Joan“, „Timon of Athens“). Wir spielten „Three men on a horse“, „Sunshine boys“,
Iinherit the wind“ – wunderbare Produktionen! Aber die Medien nannten ihn einen Fernseh-Menschen, der unbedingt zum Broadway will. Ich fand es schrecklich, was sie mit ihm gemacht haben. Trotz der
Schwierigkeiten nahm er 8 Millionen Dollar von seinem Geld, um das Theater zum Laufen zu bringen, und er hat es gut gemacht. Er führte wunderbare Stücke auf, und er ließ sich von nichts aufhalten. Er
trat in Shows auf und sagte „Bezahlen Sie mich nicht, zahlen Sie statt dessen Geld in meinen Theater-Fond ein.“ Er war sehr engagiert; er wollte gutes Theater nach Amerika bringen.
Gibt es jemanden, der ihn in dieser Hinsicht ersetzen kann?
Ich glaube nicht. Ich glaube, dass es heutzutage nicht mehr machbar ist, es ist einfach zu teuer. Wenn ich ein Stück spielen möchte, fragen die Produzenten: wie viele Personen, wie viele
Bühnenbilder? Es gibt heutzutage keine Bühnenautoren wie Sidney Kingsley und Clifford Odets mehr, weil in den Stücken zu viele Leute und zu viele Bühnenbilder vorkommen. Es ist zu teuer.
Ich habe früher Theaterstücke für wenig Geld gesehen. Jetzt kostet es hunderte Dollar, und es gibt niemanden, der vernünftige Preise nimmt. 300 und 400 Dollar für einen guten Parkettplatz – das ist
schrecklich! Es kostet mittlerweile tausende Dollar, um zum Dinner und ins Theater zu gehen. Das ist es, was die Theater kaputt macht. Ich war grade 10 Wochen lang mit „On golden Pond“ auf Tournee;
wir waren jeden Abend woanders. Wir spielten außerhalb von Denver, außerhalb von New York, außerhalb von Chicago, denn in den Innenstädten werden in den Theatern nur Musicals aufgeführt. Ein paar
dieser Theater werden zwar glücklicherweise von Investmentgesellschaften und Banken unterstützt, aber es ist schrecklich. Das Theater stirbt aus.
Sie haben mit Ethel Merman in “Gypsy“ gespielt. Hätten Sie damals gedacht, dass das Stück eine Legende werden würde?
Ich wusste, dass es ein großer Hit werden würde, als wir in Philadelphia waren. Wir haben in Philadelphia angefangen und haben es fünf Wochen gespielt; die Kritiker flippten aus, und ich wusste, dass
es ein Erfolg wird. Ich wusste natürlich nicht, dass es eine Legende wird, aber Leute wie Julie Stein, Steven Sondheim, Jerome Roberts und Arthur Lawrence sind eine teuflisch gute Kombination. So
etwas gibt es nicht mehr.
Kam irgend jemand in den Wiederaufführungen an Merman heran?
Niemand. Ich habe zwar einige gesehen, die bessere Schauspieler waren als sie, aber es kam trotzdem niemand an sie heran. Sie war ein einzigartiger Mensch, es wird nie jemanden geben wie sie. Erst
einmal hatte sie kein Mikrofon. Ich sagte ihr, eigentlich bräuchte sie gar nicht ins Theater zu kommen, sondern sie bräuchte nur das Fenster von ihrem Appartement aufzumachen. Sie war so wunderbar,
und ich mochte sie sehr gern. Wir arbeiteten zwei Jahre zusammen, und diese zwei Jahre waren für mich sehr wertvoll.
In „Tchin-Tchin“ haben Sie mit einer anderen Legende gespielt: Margaret Leighton.
Nein, Margaret Leighton hörte auf, weil Tony Quinn ihr drohte sie zu töten, wenn sie mit mir weiterspielen würde. Deshalb spielte ich mit Arlene Frances. Arlene war auch wunderbar.
Wenn Sie jemand anderen in einer Rolle sehen, die Sie als erster gespielt haben, sind Sie dann übermäßig kritisch, oder vielleicht besonders
aufmerksam?
Nein, ich bin nicht eifersüchtig. Ich liebe es, Talent zu sehen. Wenn sie nicht gut sind, werde ich deswegen ärgerlich. Wenn sie gut sind, liebe ich es. Ich mag es, wenn Leute besser sind als ich.
Carl Reiner bot mir eine Rolle in “Where’s Poppa?” an; sie machten einen Film daraus, aber ich konnte solche Worte nicht sagen, weil sie einfach zu schmutzig waren. Ich konnte sie im Wohnzimmer
sagen, aber nicht auf einer Bühne oder auf einem Bildschirm. Ron Leibman spielte es statt dessen, und als ich es sah, sagte ich, dass er viel besser war, als ich es je hätte sein können, und ich war
sehr froh, dass ich es nicht gemacht hatte. Er war darin wunderbar!
Gab es zu Beginn Ihrer Karriere einen Moment, in dem Sie sagten „Ich kann es nicht glauben, dass ich mit diesem Schauspieler auf der Bühne
stehe“?
Mein erster Job als professioneller Schauspieler war mit Henry Fond; ich sprang für die zweite Hauptrolle, einen Doktor, ein. Ich durfte sechs Wochen lang mit Henry Fonda spielen. Der Doktor war ein
Alkoholiker und bleichte seine Augen. Er wurde fast blind dabei. Ich spielte mit Henry Fonda; ich war 28 Jahre alt, und keine Nacht konnte ich es glauben.
Haben Sie so eine Reaktion jemals mit anderen Schauspielern erlebt, die mit Ihnen gearbeitet haben?
Ja, manche sagten während der Proben „Es ist so wunderbar, mit Ihnen zu arbeiten, ich hätte nie gedacht, dass ich mal mit Ihnen arbeiten würde.“ Ich liebe es, junge Talente zu sehen. Ich kenne nicht
mehr viele junge Schauspieler; es ist wunderbar, mit ihnen zu arbeiten.
Haben Sie auch eine Rolle abgelehnt und haben sich später gewünscht, Sie hätten es nicht getan?
Nein, ich bedaure nichts. Ich habe am Anfang “I’m not Rappaport“ abgelehnt. Aber der Schauspieler, der es dann gespielt hat, war schrecklich. Also ersetzte ich ihn, weil ich ihm zeigen wollte, wie es
nach meinem Gefühl gespielt werden sollte.
Welche Aufführung oder welchen Schauspieler fanden Sie am größten?
Lee Cobb in „Tod eines Handelsreisenden“ war die größte Darbietung, die ich jemals gesehen habe. Und Marlon Brando in “Endstation Sehnsucht”. Marlon Brando hatte eine natürliche Begabung, und Lee
Cobb verstand sein Handwerk. Zusammen haben sie mir zwei der aufregendsten Abende meines Lebens bereitet.
Es muss wunderbar gewesen sein, sie live zu sehen.
Oh Gott! Auf der Bühne! Ich habe “Endstation Sehnsucht” 17 Mal gesehen. Zehn Mal war ich die zweite Besetzung, und sieben Mal habe ich Eintritt bezahlt. Ich war jedes Mal total aus dem Häuschen. „Tod
eines Handelsreisenden „ habe ich fünf Mal gesehen, und jedes Mal war es aufregend.